EU-Erweiterung am Westbalkan: Aus Fehlern lernen

EU-Erweiterung am Westbalkan: Aus Fehlern lernen

EU-Erweiterung am Westbalkan: Aus Fehlern lernen
Kommentar der anderen in "Der Standard" von Faruk Ajeti

Link zum Beitrag

Albanien und Nordmazedonien wollen in die EU. Nach dem Gipfel vom Freitag heißt es für die Westbalkanstaaten aber weiter warten

Die neue Europäische Kommission steht vor vielen Baustellen: der Brexit, der Welthandel, der Klimaschutz, die Migrationskrise und der Anstieg des Populismus in ihren Mitgliedsstaaten, um nur einige zu nennen. Es gibt jedoch bereits Anzeichen dafür, dass die Kommission während ihrer fünfjährigen Amtszeit keine Entscheidung zu einem weiteren wichtigen Thema treffen wird, nämlich der EU-Erweiterung um die Länder des Westbalkans. Solange der Westbalkan aber eine letzte Enklave außerhalb der Union bleibt, wird Europa nicht vollständig sein.

Externe Player

Wenn die EU den Westbalkanstaaten keine realistische Perspektive bietet, sich dem europäischen Mainstream anzuschließen, wird sie wahrscheinlich ihre Amtszeit damit verbringen, Brände auf dem Balkan zu löschen. Eine der größten Herausforderungen wird die neue Rolle externer (nichtwestlicher) Akteure wie Russland, China, Türkei oder einiger Golfstaaten in Südosteuropa sein.

Brüssel hat Alarm geschlagen wegen der Rolle Russlands und Chinas auf dem Westbalkan. Der russische Einfluss ist in der Region nicht neu, ebenso wenig wie die Sorge um die aggressivere Außenpolitik Russlands unter Wladimir Putin. Der russische Präsident versucht mit dem Argument der slawischen Brüderlichkeit, die Beziehungen zum westlichen Balkan zu intensivieren, insbesondere zu Serbien und der Republika Srpska. Nach der Annexion der Krim durch die Russische Föderation im Jahr 2014 und später aufgrund der Unterstützung der Separatisten in der Ostukraine verhängte die EU eine Reihe von Sanktionen gegen Russland. Sie werden fortgesetzt werden, bis eine international akzeptierte Lösung gefunden ist.

Zwei Jahre vor der Annexion der Krim startete China 2012 seine "16+1"-Initiative, die auch als Gipfeltreffen zwischen China und den mittel- und osteuropäischen Ländern – alles exkommunistische Staaten – bezeichnet wird.

Still und pragmatisch wollte China die Zusammenarbeit mit der Gruppe von elf EU-Mitgliedsstaaten und fünf Kandidatenländern der Westbalkanstaaten intensivieren und weiter ausbauen (ohne die Republik Kosovo, da China den Kosovo immer noch nicht als unabhängiges Land anerkennt). Die gesamte Balkanregion wird ein wichtiger Bestandteil der "Neuen Seidenstraße" sein, wo China versucht, die eurasische Landmasse zu verbinden und diese Region als Sprungbrett für ihre Produkte zu nutzen. Griechenland, ein EU-Mitgliedsstaat, ist der Initiative im April dieses Jahres beigetreten, die Initiative nennt sich nun "1+17".

Europas Strategie

Der ehemalige EU-Kommissar für Europäische Nachbarschaftspolitik und Erweiterungsverhandlungen, Johannes Hahn, war über die Rolle Chinas in den Westbalkanstaaten besorgt. Als zuständiger Kommissar wies er darauf hin, dass Brüssel der neuen strategischen Rolle Chinas mehr Aufmerksamkeit schenken sollte. Überzeugend äußerte er, dass chinesische Investitionen in den Westbalkanstaaten eine der großen Herausforderungen für die Union sein werden. Die EU hat noch kein strategisches Konzept vorgelegt, wie sie darauf reagiert. Chinesische Unternehmen sind in den mittel- und osteuropäischen Ländern auf verschiedenen Ebenen und in einem dichten Netz von Straßen, Eisenbahnen, Flughäfen, Häfen und Kraftwerken stark engagiert.

Es besteht kein Zweifel, dass China als außereuropäische Macht bald einer der Hauptinvestoren auf dem Balkan sein wird, und Kommissar Hahn teilte seine Besorgnis, dass wir Russland vielleicht überschätzt und China unterschätzt haben. Aus der Perspektive seines Nachfolgers wäre die EU darauf vorzubereiten, wie man auf überschätzte und unterschätzte Akteure, die in den Westbalkanstaaten ihren Einfluss gesteigert haben, reagiert.

Was tun?

Was kann Europa den Westbalkanstaaten bieten, was China und Russland nicht können? Vielleicht einen neuen "Stabilitätspakt für Südosteuropa" oder eine Intensivierung des "Berliner Prozesses"? Die beste Option für die neue EU-Kommission wäre, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen, bevor sie etwas anbietet. Man sollte sich darüber im Klaren sein, dass "Chinas Marshallplan" für die mittel- und osteuropäischen Länder bereits in Kraft ist. Die wichtigste Erkenntnis aus der Vergangenheit ist, dass nur durch eine umfassende Zusammenarbeit zwischen den USA und der EU eine nachhaltige Lösung für die Region geschaffen werden kann – und dies als Erweiterung des gesamten europäischen Integrationsprojekts. (20.10.2019)

Faruk Ajeti ist Austrian Marshall Plan Foundation Fellow an der Johns Hopkins University in Washington.